Das Jahr 1945 nach dem Krieg
( Erhard Nickel - Artikel vom Juni 1995 )
Nachdem in Berlin die Bedingungslose Kapitulation unterschrieben war, kehrten auch die Bürger von Schenkenhorst wieder in den Ort zurück. Vieles war verwüstet, die Ställe waren leer und vergrabene Habseligkeiten ausgegraben und geplündert worden. Zwei ältere Frauen bezahlten die Räumung des Ortes mit ihrem Leben.
Aber das Leben mußte weiter gehen. Am 14. Mai 1945 wurde Gustav Baganz auf Befehl des russischen Kommandanten Bürgermeister. ,,Du Kommunist, Du Bürgermeister“, hieß es damals. Eine Kommission wurde im Ort gebildet, um die noch vorhandenen Tierbestände, vor allem das Großvieh, auf die Landwirte aufzuteilen. Diese wurden mit einer Ablieferungspflicht veranlagt. Milch mußte zur Versorgung von Kleinkindern nach Kleinmachnow geliefert werden. Je Huhn mußten 60 Eier abgeliefert werden. Vorerst erfolgte die Veranlagung nach vorhandenen Viehbeständen.Die weitere Frühjahrsbestellung, Ernte und Herbstaussaat wurde mit Befehlen geregelt. Auf dem Gut, wo die meisten Schenkenhorster beschäftigt waren, wurde ein russischer Verwalter eingesetzt. Ältere Schenkenhorster, die russisch sprechen konnten, waren als Dolmetscher tätig.
Zum 07. Juni 1945 mußte auf Befehl des russischen Kommandanten wieder ein Teil des Ortes geräumt werden. Vor der Gaststätte in der Dorfstraße 19 wurden Schlagbäume errichtet, so dass Zivilpersonen nicht mehr passieren konnten. Eine Umfahrung des Ortes war nördlich der Ortslage, entlang des Schenkenhorster Hauptgraben möglich. Die Einwohner, die ihre Häuser räumen mußten, wurden bei anderen Familien untergebracht.
Neben der heutigen Sporthalle wurden eine Bäckerei und auf dem Bauernhof neben der Kirche ein Magazin eingerichtet, wo Lebensmittel sowie Konserven aus dem Speichergelände in Teltow verteilt wurden. Im Wald neben dem Sportplatz befand ein Tanklager. In ausgehobenen Gräben lagerten hunderte von Fässern mit Diesel und Benzin. Auf dem Schweinehof (heute Reiterhof Wodtke) befand sich eine Schroterei zur Versorgung der Bäckerei mit Schrot und Mehl. In der Gaststätte war ein Offizierskasino, im Saal wurden Soldaten einquartiert. In den Kellern der Schule sowie des Gutshauses kocht man für die Versorgung der Truppen. Einziger Bürger, der im abgeriegelten Teil des Ortes wohnen bleiben durfte war der Bürgermeister Gustav Bagenz. Im Nebenhaus hatte sich der Kommandant einquartiert. Im Wohnhaus Dorfstraße 18 neben dem Kirchhof waren junge russische Frauen als Schreibkräfte tätig, bei Freidanks in der Dorfstraße 33 war ein Frisiersalon. Einige Schenkenhorster mußten bei den Russen arbeiten. In der Bäckerei, in der Gaststätte, beim Kommandanten und als Straßenreinigungskräfte (Im Herbst mußte die Straße täglich vom Laub gesäubert werden). Nach Aussage des damaligen Bürgermeisters wurden in Schenkenhorst die Entlassungen von Angehörigen der Roten Armee bearbeitet. Da auch die Schule besetzt war, wurden die Schüler fast bis zum Jahresende behelfsmäßig in einer Wohnung in der Potsdamer Straße 8 unterrichtet und eingeschult.. Zur Versorgung der Bevölkerung wurde einmal in der Woche begrenzt Brot, Sirup und andere Lebensmittel im Spritzenhaus ausgegeben. Auf dem Lagerplatz in Richtung Nudow wurde einmal ein Rind geschlachtet und in kleinen Portionen an die Einwohner verteilt. Auch ein Pferd, dass beim häufeln der Kartoffeln umgefallen war, wurde abgestochen und verteilt.
Schüler, die auf den Feldern des Gutes halfen, konnten auf dem Gutshof in der Küche essen. Auf dem Speiseplan standen auch gekochte Maiskolben mit Zucker und verbrannte Brotlaibe, die ausgehöhlt wurden. Ab Sommer 1945 wurden die Bürger der Gemeinde, denen eine Zusammenarbeit mit den Nazis vorgeworfen wurde in eine sogenannte Schutzhaft genommen. Mindestens vier der Verhafteten sind nicht zurückgekehrt und ihr Schicksal ist nicht bekannt. 1946 haben Schüler Ähren gesammelt für den selbstgebackenen Kuchen zum Kinderfest. Ältere Schüler und Jugendliche trafen sich im Winter 1945/46 in dem ehemaligen Luftschutzkeller in der Potsdamer Straße 5. Bei Kerzenlicht wurde musiziert und getanzt.
Alle diese Erinnerungen erscheinen gegenwärtig. Jeder von uns, der auf das ehemalige Jugoslawien oder andere Konfliktherde der Welt schaut, wo nach dem Kriegsende in Deutschland etwa 200 lokale Kriege stattfanden, weiß wie kostbar der Frieden ist. 1945 war für die Deutschen das Jahr zwischen Krieg und Frieden. Betrachtet man das unendliche Leid welches die NS-Herrschaft über die Welt gebracht hat, so war es eine Befreiung von diesem unmenschlichem Regime und gleichzeitig die Beendigung des 2. Weltkrieges in Europa. Man sollte weiter daran arbeiten, daß die begangenen Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten, deren Ursachen beleuchten, um zu verhindern, daß solches sich nicht noch einmal in der Weltgeschichte wiederholen kann.
Erhard Nickel – Ortschronist von Schenkenhorst
Der Verfasser des Beitrages war in der Zeit von Sommer 1992 bis zu den Kommunalwahlen im Jahre 1993 als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Schenkenhorst tätig.